zurueck zur Reitschule
 
  Renovation der Reitschule Bern  
Bauhuette  
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Allzu romantisch...
 
Die geneigten megafonleserInnen erinnern sich, im Frühjahr 2000 startete das langersehnte, ziemlich ehrgeizige Projekt «Bauhütte der Reitschule», ein Projekt, das sowohl in bautechnischer, wie auch in planerischer, ökologischer, politischer, und sozialer Hinsicht in neue Dimensionen führen sollte.

Gross waren die Erwartungen, die auf den ProtagonistInnen des Werkes lasteten, von den HilfsarbeiterInnen bis hinab zu den Architekten und zuständigen Beamten des Hochbauamtes. Alle waren sie vom Eifer beseelt, den Willen des Berner Stimmvolkes zu erfüllen, das im Jahr 1999 mit einer umwerfenden Mehrheit dem Umbau der Reitschule gemäss dem Bauhüttenmodell zugestimmt hatte.

Wirklich alle?

Also, um ehrlich zu sein, einige etwas mehr, andere etwas weniger. Wer sich aber zweifellos um Sternzeiten übertroffen hat, ist der tapfere Ritter Adrian von Guggisberg, der mit seinem heldenhaften Einsatz das Projekt «Axt und Kelle» ermöglicht hatte. Die lustigen GesellInnen demonstrierten, was Baukultur jenseits von einem marktdiktierten Preisdruck heissen könnte.
           Sie bauten in der Reitschule für Kost und Logis und huldigten einer Handwerkskunst, die im freien Markt dem Untergang geweiht ist. Zeugen ihrer Arbeit sind die liebevoll geflickten Balken im Dachstock, das neue Eingangstor sowie das Tor vom Hof zur grossen Halle.
           Wieweit wirklich die Gesellinnen des Schachtes «Axt und Kelle» auch dafür verantwortlich waren, dass vor allem die Männer nicht immer voll konzentriert gearbeitet haben, oder ob das nicht sowieso ein Problem der Baufrauen respektive der Baumänner im Allgemeinen ist, lässt sich an dieser Stelle nicht bis ins Detail erörtern (siehe dazu «Weiber auf'm Bau», megafon November 2000).
           Fest steht, dass mit dem Abzug der GesellInnen mehr und mehr solche Betriebe auf den Plan traten, die der Vergebungsordnung der öffentlichen Aufträge der Stadt Bern entsprachen. Eine Vergebungsordnung notabene, die die rot-grüne Stadtregierung, wohl vom angelsächsischen (Rinder-)Wahn befallen, aus freien Stücken ein Jahr zuvor den WTO-Richtlinien angepasst hatte (siehe dazu «WTO vs. Selbstbestimmung», megafon April 2000). Die Resultate einer solchen starren Vergebungsordnung lassen sich unschwer am weiteren Bauverlauf in der Reitschule ablesen. Wenn der am billigsten offerierende Unternehmer den Auftrag bekommt, liefert er auch entsprechende Arbeit ab. Die grobschlächtig hingeklotzte Dachdeckerei- und Spenglereiarbeit auf dem Dachstock stehen im krassen Gegensatz zur Arbeit von «Axt und Kelle». Vergessen sind alle ästhetischen und ökologischen Ansprüche - da haben wir Glück gehabt, wenns wenigstens technisch in Ordnung ist. Mitarbeitsfreudige ReitschülerInnen wurden nur noch widerwillig einbezogen.
           So wurde die Reitschule, einmal mehr in ihrer Geschichte, zum Schauplatz von extrem guten, wie auch extrem schlechten Erfahrungen innerhalb kürzester Zeit.

Und jetzt, wie weiter?

Ja hallo, sagt da manch braveR Berner BürgerIn, jetzt haben wir doch im vergangenen September diese rechtsbürgerlichen Fossilien endgültig die Aare runtergespült und einmal mehr den flotten «Giele u Modis» in der Reitschule den Rücken gestärkt, «jetz wei mer öppis gseh!»
           Logisch kann eine Reitschule auch mit Unterstützung des Berner Stimmvolkes nicht von heute auf morgen die WTO abschaffen und ein soziales, ökologisches und verantwortungsbewusstes Weltwirtschaftssystem herbeizaubern - aber zumindest in den eigenen Mauern, da hätten doch wenigstens die Ansprüche, die im Bauhüttenmodell propagiert wurden, durchgesetzt werden können!
           Nicht verzagen, jetzt flugs die Erfahrungen vom vergangenen Sommer auswerten unds in der zweiten Etappe umso besser machen. Was steht denn überhaupt als Nächstes an?
           Ah ja, die Grosse Halle! Die grossen Dachflächen laden zum Verwirklichen von Arbeitsprojekten ein; seis wiederum mit GesellInnen oder mit dem Service Civil International. Kosteneinsparungen wären so möglich, ohne dass die handwerkliche Qualität unter den Gefrierpunkt absacken müsste. Einsparungen, die nachher zum Beispiel der Betriebsinfrastruktur der Grossen Halle, oder, warum nicht, einem Kindergarten in einer autonomen Gemeinde in Chiapas, Mexico, zu Gute kämen. Eine Photovoltaik- Anlage auf dem Dach der Grossen Halle würde der Reitschule ganz gut anstehen, wäre zudem wirtschaftlich auf lange Frist sinnvoll und würde bestens ins Ökostrom-Konzept der EWB passen.

Aber äbe, wir haben keine Zeit.

Keine Zeit, Erfahrungen auszuwerten, keine Zeit, Projekte zu planen, keine Zeit, sie politisch durchzusetzen... einfach keine Zeit.
           Schliesslich müssen die 7,7 Millionen Franken des Baukredites in drei Jahren «verchlepft» sein. (Wer sagt denn so was?)
           Zudem ist das alles politisch nicht machbar, (hab ich doch auch schon mal gehört...), zudem ist eh alles zu spät, die Aufträge wurden bereits öffentlich ausgeschrieben, schliesslich müssen auch noch ein paar Grossunternehmen zum Zuge kommen, die sind eh schon sauer, weil sie auf dem Dachstock nicht durften...
           Für gewisse Leute ist es tatsächlich kein Problem, gegen die Reitschule Propaganda zu machen und sich gleichzeitig dort um Aufträge zu bewerben.
           Und, nicht zu vergessen, im Februar 2001 muss die Grosse Halle abgedeckt werden, koste es, was es wolle, schliesslich muss ja die Grosse Halle nächsten Sommer den Betrieb unbedingt wieder aufnehmen, Harry Bellafonte hat schon ein Gig angemeldet.
           Die geneigten LeserInnen stellen also fest, dass sogar ReitschülerInnen gewissen Sachzwängen ausgeliefert sind. Des Weiteren können sie davon ausgehen, dass sie in den weiteren Nummern dieses Heftes mit weiteren Folgen der unglaublich spannenden Serie «EineR wird gewinnen, der Mensch oder der Sachzwang!» beliefert wird.
           Wen es aber jetzt schon vor Spannung schier zerreisst, wer unmöglich noch einen Monat länger auf die nächste megafonausgabe warten kann, der oder die kann sich ganz einfach in einer Arbeitsgruppe der Reitschule einklinken (nur für starke Nerven!).

st