Working Class Cinema II
In einer Zeit, in der das Ende der Geschichte bereits gefeiert wurde, in welcher der Glaube an jede Alternative zum Kapitalismus lange verloren scheint, wird sie noch immer mit Arroganz betrachtet, gedemütigt und beleidigt - die Arbeiter*innenklasse. Aber sie ist weiterhin da, widerspenstig und potentiell fähig, einfach aufgrund der materiellen Bedingungen ihrer Existenz, sich den Reizen der „Gesellschaft des Spektakels“ zu entziehen.
Ohne jede Absicht den simplistischen Illusionen des revolutionären Subjekts nachzujagen, ist eine Suche nach Darstellungen der Arbeiter*innenklasse im Kino fruchtbar. Das Kino, als siebente Kunst, bietet Möglichkeiten unbekannte Visionen zu evozieren, weit entfernt von den Träumen und Albträumen einer Mittelschicht. Im klaren Bewusstsein für die mannigfaltigen Formen der Ausbeutung und der Konflikte die unserer sogenannt ‹modernen› Gesellschaft zugrunde liegen.
Die Reise auf der grossen Leinwand führt von den Kämpfen der Amazon-Arbeiter*innen in den USA (Union) zur Gewalt, die den grossen Sprung nach vorne des chinesischen Kapitalismus begleitet (A Touch of Sin), vom Alltag am Rande des Zusammenbruchs im Pflegebereich (HELDIN), bis zum Leiden und der Würde derjenigen, die im Kosovo einen Arbeitsunfall erlitten haben (Workers' Wings), vom Einbruch des Übernatürlichen in die Ausbeutungsbedingungen kambodschanischer Textilfabriken (Boramey: Ghosts in the Factory) bis zum Mut einer Mutter auf der Suche nach einem versklavten Sohn auf brasilianischen Plantagen (Pureza), von der ätzenden Sicht über die Protagonisten der Arbeiterklasse im Italien der 1970er Jahre (La classe operaia va in paradiso) bis zur Horrorsatire über die Schäden des Neoliberalismus auf dem Balkan (Working Class Goes to Hell), um schließlich mit einer zutiefst menschlichen Geschichte der Solidarität zu enden (I, Daniel Blake).
In einer Welt digitaler Träume und volatiler Werte bringen uns die Körper und Stimmen derer, die die Welt mit ihrer Arbeit gestalten, auf den Boden der Tatsachen zurück, dorthin, wo Klassenkonflikte nicht blosse marxistische Rhetorik sind, sondern eine nüchterne Beschreibung sozialer Beziehungen.